Auftaktveranstaltung der Kampagne „Seltene Erkrankungen in Bayern“

Für die kulturelle Untermalung der durch die Schauspielerin Veronika von Quast moderierten Veranstaltung sorgten die Holledauer Hopfareisser, die Gessler Buam und die Liedertafel Moosburg. Zudem zeigte die Künstlerin Margit Grüner Skulpturen aus Porzellanbruch, die passend zum Thema medizinische Disziplinen darstellen.


In seinem Grußwort betonte der Bezirkstagspräsident von Oberbayern Josef Meuderer, dass auch ein Leben mit Behinderung ein gelingendes Leben sein kann, und ging auf die damit verbundenen diagnostischen und therapeutischen Herausforderungen ein. Zur schnelleren Translation der wissenschaftlichen Fortschritte in der Humangenetik forderte er ein Zentralregister für alle seltenen Erkrankungen.


Als Hauptrednerin der Veranstaltung und Schirmherrin der Kampagne äußerte sich Eva Luise Köhler überzeugt vom hohen Stellenwert der Selbsthilfe insbesondere im Bereich der Seltenen Erkrankungen und dankte den haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Selbsthilfeorganisationen für ihr unermüdliches Engagement. Auch wenn ihre Erkrankungen verschieden sind, sind die Probleme der über 650.000 Betroffenen in Bayern und vier Millionen Betroffenen in Deutschland ähnlich: Eine häufig lange diagnostische Odyssee, und bestehende Mängel in Therapie und Versorgung.


Menschen mit seltenen Erkrankungen seien „gerade in diesen Zeiten“ besonders vulnerabel und brauchen mehr Aufmerksamkeit und Unterstützung, so Eva Luise Köhler. Sie erinnerte an die Zielsetzungen des Nationalen Aktionsplans für Seltene Erkrankungen (Förderung der Forschung als Schlüssel zu Heilung und Therapie, Aus- und Weiterbildung sowie attraktive Arbeitsbedingungen für Fachärzte für seltene Erkrankungen sowie die Vernetzung von Behandlungszentren) und forderte die Politik auf, alles zu tun, um diese Zielsetzungen auch zu erreichen. So müsse die Zertifizierung der Zentren für seltene Erkrankungen vorangetragen werden, die erfolgreich erprobten Fallkonferenzen müssen nachhaltig finanziert werden, ein nationales Register für Seltene Erkrankungen müsse aufgebaut werden. Den bemerkenswerten wissenschaftlichen Fortschritten stehen Hürden und Hemmnisse insbesondere bei der Finanzierung gegenüber. So wurde im Sommer das erfolgreiche Projekt Cord-MII aus finanziellen Gründen beendet. Das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz mache zudem deutlich, dass die besonderen Belange der Seltenen Erkrankungen seitens der Politik immer noch nicht erkannt und verstanden werden.


Frau Köhler sprach von einer Zeitenwende in der Medizin: Neue Verfahren beschleunigen die Diagnose und ermöglichen neue Therapien, mit denen viele Patientinnen und Patienten am Fortschritt teilhaben können. Mit einem Schulterschluss aller Stakeholder und der Zivilgesellschaft werde die Welt für Menschen mit Seltenen Erkrankungen bald eine bessere sein.


Als Abschlussredner stellte Erich Irlstorfer die Kampagne vor: „Wir haben ein gemeinsames Ziel – wir wollen, dass wir über Seltene Erkrankungen zukünftig nicht mehr als die Waisen der Medizin sprechen. Wir wollen Seltene Erkrankungen in der Gesellschaft verankern“. Er dankte den Medien für die Berichterstattung und rief die anwesenden Vertreterinnen und Vertreter der Selbsthilfeorganisationen auf, ihre sozialen Medien zu nutzen, um über die Kampagne zu informieren: „In der Kraft des Wortes liegt auch die Möglichkeit, Menschen für unsere Themen zu gewinnen und zu begeistern“.


„Krankheit kennt keine Parteibücher!“ Mit dieser Aufforderung lud Erich Irlstorfer Politiker aller Fraktionen ein, parteiübergreifend zusammen zu arbeiten: „Es geht nicht um Selbstdarstellung. Wir alle sind gewählt, um Lösungen für schwierige Situationen zu erarbeiten“. An die Pharmaindustrie gerichtet sagte Erich Irlstorfer, er suche eine Allianz des Anstands. Es brauche aber auch gute Rahmenbedingungen, um die Ergebnisse der Grundlagenforschung in die klinische Anwendung zu übertragen. Dabei komme es auch auf internationale Zusammenarbeit an: „Forschung kennt keine Grenzen.“ Mit Blick auf die Digitalisierung erklärte er, ein Freund des Datenschutzes zu sein. „Aber wir müssen erkennen: Wer heilt hat Recht!“ Ein Gebiet für stärkere internationale Zusammenarbeit sei zum Beispiel die notwendige Erweiterung des Neugeborenenscreenings.


Mit Blick auf die Erfolgsaussichten der Kampagne bekannte Erich Irlstorfer, allein nicht viel erreichen zu können: „Aber wenn wir es nicht probieren, können wir auch nicht scheitern. Die Fallhöhe ist hoch, aber ich glaube an die Selbsthilfe“, sagte er.


Die DIG PKU wird sich in diese Kampagne aktiv einbringen und hofft, dass auch über Bayern hinaus mehr Aufmerksamkeit für Menschen mit Seltenen Erkrankungen wie zum Beispiel Phenylketonurie und verwandte angeborene Stoffwechselstörungen gewonnen wird.