Politische Aktivitäten der DIG PKU 2019

Deutschland befindet sich in einer politischen Umbruchphase. Trotz einem als „Macher“ auftretenden Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) findet die Gesundheitspolitik im Vergleich zu den Themen Klima und Migration nur geringes öffentliches Interesse. Dennoch hat sich die DIG PKU auch im Jahr 2019 zu vielen Themen politisch positioniert und versucht sie geduldig, Verschlechterungen für die Stoffwechsel-Patienten und ihre Angehörigen zu vermeiden und darüber hinaus Verbesserungen zu erreichen. Dazu sucht sie Kontakt mit politischen Entscheidungsträgern und Vertretern aller am Ge-sundheitssystem beteiligten Institutionen und Gruppierungen. Außerdem werben wir bei Berufs- und Fachverbänden sowie anderen Selbsthilfeorganisationen um Unterstützung für unsere Ziele.


Hier eine Kurzübersicht über die aktuellen Themen:


Europa-Politik

Die EU hat nur einen begrenzten Einfluss auf die deutsche Gesundheitspolitik, kann aber als Wertege-meinschaft auf die Umsetzung gemeinsamer Prinzipien drängen und z.B. den gleichen Zugang aller Pa-tienten zu den Leistungen des Gesundheitssystems fordern. Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft 2020 ist eine Gelegenheit für die DIG PKU, mit Abgeordneten des Europaparlaments und der Deutschen Botschaft bei der EU zu sprechen und auf die Probleme hier in Deutschland und in Europa hinzuwei-sen.


Ambulante Spezialfachärztliche Versorgung von erwachsenen Stoffwechselpatienten

Bereits heute fehlen ausreichende Behandlungskapazitäten für die steigende Zahl erwachsener Stoff-wechselpatienten. Die DIG PKU hat mit Briefen und in vielen persönlichen Gesprächen die gesund-heitspolitischen Sprecher der Bundestagsfraktionen, den Bundesgesundheitsminister und den Gemein-samen Bundesausschuss aufgefordert, einen gesetzlichen Anspruch aller Patienten auf ambulante spe-zialfachärztliche Versorgung aller Patienten sicherzustellen. Wir setzen diese Gespräche fort, damit aus-reichende finanzielle Anreize für die Leistungserbringer zur Schaffung der notwendigen Kapazitäten gesetzt werden.


Zuckersteuer und Nutri-Score

Zur Bekämpfung von Übergewicht fordern die WHO, die EU und viele Politiker auch in Deutschland wiederholt eine Zuckersteuer. Auch die neue Lebensmittelkennzeichnung Nutri-Score hat das gleiche Ziel. Erfahrungen im Ausland zeigen: Zur Vermeidung der Besteuerung und für einen besseren Nutri-Score wird in vielen Lebensmitteln Zucker durch das PHE-haltige Aspartam ersetzt. In Gesprächen und mit Briefen weist die DIG PKU Bundestagsabgeordnete, den Gesundheitsminister und die Ernährungs-ministerin darauf hin, dass durch den Nutri-Score und durch eine Zuckersteuer die Lebensmittelaus-wahl für PKU-Patienten kleiner und teurer werden kann, und wirbt bei Fachverbänden für Unterstüt-zung.


Nährstoff-Kennzeichnung

Nach einem Leitfaden der EU darf der Eiweißgehalt von Lebensmitteln von den Angaben auf den Ver-packungen um +/-20% abweichen. Der Vorstand und der Wissenschaftliche Beirat der DIG PKU prü-fen, welche Auswirkungen diese Abweichungen auf die Blut-Phenylalaninwerte der Patienten mit ihrer individuellen Produktauswahl tatsächlich haben und überlegen anschließend, welche politischen Maß-nahmen sinnvoll sind.


MDK-Reformgesetz

Auch Mitglieder der DIG PKU haben gelegentlich die Erfahrung gemacht, dass Krankenkassen Leistun-gen mit Verweis auf Gutachten des Medizinischen Dienstes (MDK) verweigert haben. Das MDK-Reformgesetz soll den medizinischen Dienst von den Krankenkassen unabhängig machen. Auf unseren Wunsch hat die BAG SELBSTHILFE (einer unserer Dachverbände) in ihrer Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf eine ausreichende fachärztliche Qualifikation der Gutachter gefordert.


Reha- und Intensivpflege-Stärkungsgesetz (RISG)

Das RISG soll das Wunsch- und Wahlrecht der Patienten stärken und die Zuzahlungen auf 50 % der Mehrkosten beschränken. Außerdem soll die Wartezeit auf eine neue Reha für Kinder und Jugendliche entfallen. In Telefongesprächen und mit Briefen an die Deutsche Rentenversicherung und das Gesund-heitsministerium tritt die DIG PKU dafür ein, dass die Versorgung der Stoffwechselpatienten mit quali-fizierten Reha-Maßnah¬men sichergestellt wird. Wir stehen im Kontakt mit den Kliniken, die in Deutsch-land Rehabilitationsmaßnahmen für Stoffwechselpatienten anbieten.


Versorgungsmedizinverordnung

In der Versorgungsmedizinverordnung (VersMedV) sind der Grad der Behinderung und die besonde-ren Merkzeichen für PKU festgelegt. Die damit verbundenen Steuererleichterungen sind für Familien mit PKU-Kindern wichtig. Gemeinsam mit unserem Dachverband BAG SELBSTHILFE beobachten wir die aktuelle Überarbeitung dieser Verordnung durch das Gesundheitsministerium und achten darauf, dass durch die geplante Neufassung keine Nachteile für Stoffwechselpatienten entstehen.


Mangelernährung in Deutschland

Unzureichend versorgte Stoffwechselpatienten sind eine Risikogruppe für Mangelernährung. Gemein-sam mit dem Kompetenznetzwerk Enterale Ernährung informiert die DIG PKU Bundestagsabgeordnete und wirbt in persönlichen Gesprächen und bei Expertenanhörungen für die Früherkennung durch ein gesetzliches Ernährungsscreening in Kliniken. So entstehende Ernährungsteams können eine Basis für neue Behandlungskapazitäten für Stoffwechselpatienten sein.


Arzneimittelrichtlinie

Seit 2007 arbeitet der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) an einer neuen Arzneimittelrichtlinie, die die Verordnungsfähigkeit der Aminosäuremischungen regelt. Diese wird grundsätzlich nicht in Frage gestellt. Eine Produktlistung und bisher unklare Regeln zur Vergleichbarkeit können jedoch die Pro-duktvielfalt einschränken. Unser ehemaliges Vorstandsmitglied Michael Gall vertritt im G-BA die Inte-ressen der Betroffenen. Die DIG PKU ist mit anderen Vereinen und Gruppierungen vernetzt. Wir ste-hen im ständigen Dialog mit Mitgliedern des Gesundheitsausschusses des Bundestages.


Ausschreibungsoption für die Versorgung mit Aminosäuremischungen

Die Möglichkeit von Ausschreibungen könnte es den Krankenkassen eventuell erlauben zu bestimmen, welche Produkte sie für ihre Mitglieder vollständig erstatten. Dies könnte zu Zuzahlungen führen, wenn Patienten Produkte anderer Hersteller verordnet bekommen. In persönlichen Gesprächen mit Bundes-tagsabgeordneten fordert die DIG PKU zusammen mit dem Kompetenznetz Enterale Ernährung den uneingeschränkten Zugang aller Patienten zu allen Produkten.


Ambulante Ernährungstherapie als Heilmittel

Am 1. Januar 2018 wurde die Ambulante Ernährungstherapie für seltene angeborene Stoffwechsel-Erkrankungen als Heilmittel anerkannt und verordnungsfähig. Dafür haben wir viele Jahre lang gemein-sam mit anderen Selbsthilfeorganisationen, wie z.B. dem Mukoviszidose-Bundesverband „Muko e.V.“, erfolgreich gekämpft. Die Regelung soll jedoch nach 3 Jahren, also ab 2021 überprüft werden. Bisher gibt es nur wenige Leistungserbringer. Die DIG PKU bereitet sich auf diese Evaluation vor und befragt den Berufsverband der Diätassistentinnen VDD nach der Praxistauglichkeit der Anforderungen an die Leistungserbringer.