Phenylketonurie (PKU)
In den vergangenen Jahrzehnten hat eine außerordentliche Zunahme an genetischen und biochemischen Erkenntnissen zur Aufdeckung einer Vielzahl von Störungen des Stoffwechsels geführt. Eines von 1.000 bis 2.000 Neugeborenen kommt mit einer sog. "angeborenen" Stoffwechselstörung, die es von seinen Eltern ererbt hat, zur Welt.
Eine dieser Störungen ist die Phenylketonurie, abgekürzt PKU, die in Deutschland bei einem von etwa 10.000 Neugeborenen auftritt. Bei einer Gesamtbevölkerung von über 80 Mio. Menschen müssten also insgesamt etwa 8.000 Betroffene in Deutschland leben. Bei der gegenwärtigen Geburtenrate muss mit etwa 70 Neuerkrankungen pro Jahr gerechnet werden.
Alle eiweißhaltigen Lebensmittel tierischer und pflanzlicher Herkunft enthalten die Aminosäure Phenylalanin, die zu den "lebensnotwendigen" Nahrungsbestandteilen gehört. Normalerweise erfolgt in der menschlichen Leber in Gegenwart eines Enzyms die Umwandlung von Phenylalanin in eine andere Aminosäure, das Tyrosin. Bei den PKU-Betroffenen ist aufgrund einer genetisch bedingten Störung (Mutation) dieses Enzym gar nicht oder nur teilweise aktiv. Dadurch unterbleibt ganz oder teilweise die Umwandlung von Phenylalanin in Tyrosin. Phenylalanin häuft sich in Blut und Geweben an und verursacht eine Hirnschädigung, wenn die PKU nicht in den ersten Lebenswochen entdeckt und sofort der Behandlung zugeführt wird.
In Deutschland und in vielen anderen Ländern gibt es ein "Neugeborenen-Screening", das am 3. bis 5. Lebenstag alle Neugeborenen erfasst. Aus einigen wenigen Blutstropfen kann dann mit einem speziellen Testverfahren schon frühzeitig festgestellt werden, ob ein Baby gesund oder von PKU betroffen ist. Im Verdachtsfall setzen sofort Nachuntersuchungen und dann die Behandlung ein.
Lange Zeit war eine Phenylalanin-arme Ernährung die einzige Behandlungsmöglichkeit der PKU. Dabei müssen die Betroffenen auf einen großen Teil der natürlichen Lebensmittel meist ganz verzichten. Lebensmittel, die von Natur aus einen geringeren Eiweißgehalt aufweisen, sind in berechneten und gewogenen Mengen erlaubt. Dazu gehören viele Obst- und Gemüsesorten. Fette und nahezu eiweißfreie Lebensmittel, wie Marmelade und eine Vielzahl von milch- und gelatinefreien Süßigkeiten, bedürfen keiner Restriktion. Doch müssen Brot, Gebäck, Nudeln, Wurst und andere Lebensmittel durch solche ersetzt werden, die als eiweißarme diätetische Lebensmittel in den Handel kommen. Doch benötigt der menschliche Körper ganz allgemein und der von wachsenden Kindern und Jugendlichen ganz besonders täglich eine bestimmte Menge Eiweiß. Bei den PKU-Betroffenen besteht der "Eiweißersatz" aus speziell für sie hergestellten Präparaten, die alle Eiweißbausteine mit Ausnahme des Phenylalanins enthalten. Diese Erzeugnisse unterliegen strengen Rechtsvorschriften. Sie müssen mit einigen lebensnotwendigen Nahrungsbestandteilen angereichert (Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente) sein.
Seit der Einführung des Neugeborenen-Screenings in Deutschland sind jetzt mehr als 50 Jahre vergangen. Dadurch liegen viele und langjährige Erfahrungen mit der Phenylalanin-armen Diät vor. Es steht heute fest, dass bei strikter Einhaltung der Diät die Betroffenen normal heranwachsen, sich gut entwickeln und als Erwachsene einem normalen Beruf nachgehen können. Nach gegenwärtigem Wissensstand müssen diese besonderen Ernährungsmaßnahmen lebensbegleitend beibehalten werden.
Für Frauen mit PKU ergibt sich eine ganz besondere Situation. Wenn sie sich den Wunsch nach einem Kind erfüllen möchten, müssen sie während der gesamten Schwangerschaft eine strenge Phenylalanin-arme Diät einhalten, da es andernfalls zur Schädigung ihres Kindes kommen kann. Am Günstigsten ist es, mit der strengen Diät schon vor der Konzeption wieder zu beginnen.
Seit etwas über 10 Jahren gibt es mit einer Kofaktor-Therapie eine medikamentöse Behandlungsoption, die jedoch nur bei einer Minderheit aller Betroffenen wirkt. Eine Enzymersatztherapie verspricht gute Behandlungsergebnisse, ist jedoch in ihrer Einführung und Anwendung sehr komplex. Aktuell wird zu etlichen weiteren mögliche Therapieoptionen geforscht, einige davon sind sehr vielversprechend.
Für die Betroffenen selbst stellt die PKU in mehrfacher Beziehung eine ständige psychische und soziale Belastung dar. Auch die Notwendigkeit der lebensbegleitenden Therapie wirft Fragen auf, zum Beispiel zur Weiterversorgung der erwachsenen und älter werdenden Betroffenen im Rahmen der Inneren Medizin. Ebenso darf nicht vergessen werden, dass es immer noch sehr viele Patientinnen und Patienten gibt, die vor der Einführung des Neugeborenenscreenings geboren wurden, die wegen ihrer vielfältigen Behinderungen in Folge der unbehandelten PKU einen ganz anderen Versorgungsbedarf haben.
Am Wichtigsten ist aber die Information, dass bei frühzeitiger Erkennung der PKU und einer konsequenten Behandlung die Betroffenen sich völlig normal entwickeln können. Hierzu gibt es jetzt weltweit über 50 Jahre gesammelte Erfahrungen.
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